Zu hohe Personalkosten?

Zu hohe Personalkosten?

Für Allgemeinarztpraxen gelten Personalkosten in Höhe von 25% des Umsatzes landläufig als normal. Diese Faustformel allein hilft aber nicht weiter, sondern muss schon durch weitere Kennziffern hinterfragt werden. Im Fall von Dr. B. hat dessen Steuerberater darauf hingewiesen, dass die 28,6% Personalkosten doch zu hoch sind, denn eine durchschnittliche Allgemeinarztpraxis sollte nur 25% vom Umsatz als Personalkosten ausweisen. Das wären im Durchschnitt etwa 2,5 Mitarbeiter.

Den Personalbedarf einer Arztpraxis kann man nicht immer an statistischen Werten ablesen; was ich auch immer wieder bei meinen Analysen sehe. Die Analyse der Abrechnungsdiskette bei Dr. B. zeigt leider, dass da doch was nicht stimmen kann bzw. dass es Möglichkeiten gibt, den Personaleinsatz besser zu gestalten.

Zunächst einmal haben wir festgestellt, dass die Praxis von Dr. B. in etwa einer Durchschnittspraxis entspricht. Es werden keine besonderen Leistungen, wie Spezialuntersuchungen oder dergleichen, angeboten, die mehr Personal erforderlich machen. Deshalb war es schon verwunderlich, dass die Personalkosten so hoch waren. Anhand von nur zwei Statistiken war aber schnell zu erkennen, warum das so war. Die Tabelle “Kontakte pro Wochentag” hat eine Schwankungsbreite von 38 Kontakten am Mittwoch zu doch stattlichen 98 Kontakten am Montag hervorgebracht. Berücksichtigt man, dass der Mittwoch nur ein “halber” Arbeitstag ist, bleiben aber trotzdem durchschnittlich 10 Kontakte weniger als an den hauptfrequentierten Tagen, der Personaleinsatz bleibt in der Praxis aber immer gleich hoch. Die Übersicht über die Kontaktverteilung pro Quartalswochen war ein ständiges auf und ab, was daran lag, dass die Patienten kommen wann sie wollen. Der Schluss lag also nahe, dass die Praxis von Dr. B. mit keinem oder mit einem nicht funktionierenden Terminsystem arbeitet.

Der große Nachteil eines nicht vorhandenen oder nicht funktionierenden Bestellsystems ist, dass die Praxis immer mit dem größtmöglichen Ansturm auf die Praxis rechnen und so auch dementsprechend viel Personal vorhalten muss. Dazu kommen weitere Nachteile, wie lange Wartezeiten, unruhiger Praxisablauf und unplanbare Arbeitszeiten. Dieser Teufelskreis dreht sich weiter in Richtung unmotivierte Mitarbeiter (zu dem zählt auch der irgendwann frustrierte Chef), hohe Patienten- und Personalfluktuation und ein schlechter Ruf der Praxis.

All das wollte Dr. B. nicht haben und hat konsequent an den Schwachstellen aufgrund der neu gewonnenen Kennzahlen gearbeitet:

1. Er hat ein halboffenes Sprechstundensystem eingeführt und dieses dann auch in die Planung der Gesamtorganisation eingebunden. Halboffen bedeutet, dass an Tagen, die “traditionsgemäß” häufig von sog. Notfällen betroffen sind (Montagvormittag!!) eben keine Termine eingeplant werden. Diese offenen Sprechstundenzeiten sind bei Einführung eines solchen Systems großzügiger gewählt und werden im Laufe der Zeit, wenn sich die Patienten mehr und mehr an die festen Termine gewöhnt haben, immer weniger.

2. Zeitplanung heißt aber nicht nur Terminplanung, sondern auch z.B. eine klare Aufteilung der Arbeitsgebiete. Es macht nicht jede Mitarbeiterin alles was gerade anfällt, sondern jede ist für einen bestimmten Bereich alleine verantwortlich. Das heißt natürlich nicht, dass sich gegenseitig nicht geholfen wird, wenn Not am Mann ist.

3. Zeitplanung heißt auch Selbstmanagement und die Suche nach Einsparmöglichkeiten bei Kleinzeitwerten. Wer bei jedem der 98 Patientenkontakte pro Tag nur 30 Sekunden spart, der hat so 50 Minuten Arbeitszeit gut, was sicher auch zu einem entspannteren Arbeiten führt.

4. Alle Arbeitsabläufe wurden neu durchdacht und den neuen Zielen angepasst.

5. Auch an der Kommunikation untereinander wurde schwer gearbeitet, weil auch erkannt wurde, dass es zu sehr vielen Reibungsverlusten gekommen ist. Da gab es schon mal Arbeiten, die so lange weitergegeben wurden, bis sie keiner gemacht hat.

Alle diese Verbesserungen der Praxisorganisation haben dazu geführt, dass die Praxis jetzt mit weniger Personal auskommen könnte. Dr. B. hat aber niemanden entlassen, sondern hat einer Mitarbeiterin den Wunsch erfüllen können, weniger zu arbeiten und sich etwas mehr ihrem Haushalt zu widmen und eine weitere hat jetzt endlich die Zeit sich mehr mit der Ernährungsberatung zu beschäftigen, was der Praxis mehr Umsatz bescherte.

Sie sehen: Arztpraxen sind nicht mit oberflächlichen Kennzahlen, wie Scheinzahl oder Umsatz zu beurteilen, sondern weisen wesentlich mehr Eckdaten aus, die es gilt bei der täglichen Organisation und Praxismanagement zu berücksichtigen.